JAZZ PODIUM   Oktober 2011

 


Michael Mantler
For Two


Wie soll man das besprechen! Da spielt im Juni 2010 der Pianist seine Parts in einem französischen Studio und im August der Gitarrist die seinen bei sich zu Hause in Dänemark ein, und die zusammengemixten Resultate heißen "Duet one", "Duet two" usw. bis "Duet eighteen", das kürzeste eben eine, das längste drei Minuten kurz. Der Komponist (und Produzent) des Werks ist der aus Wien stammende Trompeter und Avantgardist Michael Mantler, der einen Daurtraum hat: komponierte und improvisierte Musik zu einem großen Ganzen zu verschmelzen. So kam der Däne Per Salo, studierter Klassik-Pianist und -Organist dazu, zuerst Mantlers ausnotierte Teile einzuspielen, und dann improvisierte der schwedische Gitarrist Bjarne Roupé über Salos Parts. Salo als Klassiker und Moderne-Experte (er spielte z.B. als Solist in Messiaens "Turangalila Symphonie") und Roupé als Sideman von Miles Davis, Palle Mikkelborg, Bob Brookmeyer, Clark Terry, Georgie Fame und Van Morrison, Art Farmer, Johnny Griffin et al, diese Mischung wollte Mantler für seine Dauer-Vision. Die Frage, ob damit Klassik und Jazz ihre letzte, endgültige Verschmelzung erfahren haben, ist nicht beantwortbar. Oder nur insofern, als das hypermoderne "klassische" Klavierspiel und die mal gläsern ("Duet one"), mal "drahtig" ("Duet three") und selten ("Duet sixteen") voller klingenden Gitarrenimprovisationen, praktisch durchweg kurze Single-note-Phrasen oder -Bewegungen, dank der Offenen Formen der Klavier-Notate schon deshalb jeweils eine Einheit bilden, weil wir kaum hören können und nur durch die vorgegebene Arbeitsteilung wissen, was notiert und was improvisiert ist. Fesselnd an diesen durchnummerierten "Duets" ist die Ähnlichkeit der Strukturen dessen, was beide Instrumente spielen - wie gesagt offene Statements, die keinem "grammatischen" Regelwerk mehr folgen: Notierte und improvisierte Parts werden austauschbar. Was wir hören, ist weder moderne Klassik, noch Jazz. Oder doch beides: außerordentlich spannende Dialoge über das Wunder Kreativität. Und entstanden aus dem Wunder Kreativität!

- Alexander Schmitz

 
     
 

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